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Wettbewerb

Künstlerische Gestaltung der Unterführung Praterstern-Hauptallee in 1020 WienWettbewerbssieger: Irena Eden & Stijn Lernout

Künstlerische Gestaltung der Unterführung Praterstern-Hauptallee in 1020 Wien

Als Teil der Umgestaltung des gesamten Pratersterns wurde in Kooperation mit der MA 29 – Brückenbau und Grundbau in einem geladenen künstlerischen Wettbewerb nach einer künstlerischen Gestaltung der Fußgänger*innen- und Fahrradunterführung gesucht. Die Unterführung soll zur Entflechtung der Besucher*innenströme am Platz sowie für eine gleichmäßigere Verteilung der Menschen der neue Hauptweg vor allem für Fußgeher*innen in den Prater werden. Dabei spielt sie als verbindendes Element des Pratersterns als Verkehrsknotenpunkt mit dem Prater und seinen diversen Freizeit-Angeboten eine wichtige Rolle. Durch die neue Gestaltung soll sie eine Aufwertung erfahren und der Ort eine spezifische Identität erhalten.

Die sechsköpfige Jury hat sich am 28. Oktober 2021 für den Entwurf des Künstlerduos Irena Eden & Stijn Lernout entschieden.

Siegerentwurf: Irena Eden & Stijn Lernout - o.T. - Neue Sterne für den Prater

„Dem Künstlerduo gelingt es mit ihrem Entwurf o.T. - Neue Sterne für den Prater, städtebaulichen Umraum in eine Unterführung zu versetzen. Durch die räumliche Aktivierung der Fläche wirkt die Gestaltung von Irena Eden und Stijn Lernout fast architektonisch und schafft es, der Unterführung eine neue innere Haut zu geben und den Raum neu zu konnotieren. Der Zwischenraum zwischen Praterstern und grünem Prater wird durch die helle und freundliche Farbgebung ansprechend artikuliert.

Die Farbgestaltung bezieht sich auf den Anblick von Sternen aus unterschiedlichen Entfernungen und ermöglicht es den Passant*innen, nun auch im Inneren des Tunnels einen Sternenhimmel zu sehen. Die Gestaltung nimmt Bezug auf die neuen Entwicklungen vor Ort, zugleich finden sich auch historische Bezüge in der Generierung der Sternenformen. Dies sind alle in direkter Weise verbunden mit dem Stern vor Ort, dem Praterstern, der ideen- und namensgebend für jene Form war.“

-- Statement der Jury

Sieben Achsen kommen am Praterstern, dem größten Kreisverkehr in Wien, zusammen. Die heute stark befahrenen Straßen wurden im späten 18. Jahrhundert als Alleen angelegt und haben diesen Platz von seiner Entstehung an mit einer Geste der Größe, die damals noch mit der Idee von monarchischem Imperialismus verbunden war, versehen. Die historisch durchaus gewollte Ausrichtung des Geländes hin zur Monumentalität wird durch weitläufige Sichtachsen, wichtige Verkehrsverbindungen, Verkehrsströme und tausende von Passant*innen pro Tag spürbar.
Der Praterstern ist ein lauter, unruhiger und sehr urbaner Ort. Mit der Neugestaltung des gesamten Areals soll nun eine Nutzungserweiterung geschaffen werden. Neben dem Platz als „Verkehrsknotenpunkt“ soll dieser auch Begegnungszone und „Aufenthaltsoase“ werden. Das Areal wird für diesen Zweck bildlich gesprochen „gefasst“ und der Blick bzw. die Ausrichtung vermehrt nach „Innen“ gelenkt. Dies wird insbesondere durch den begrünten Ring, der den gesamten Platz umschließen wird, gelingen.
Im Zuge der Neugestaltung und Neudefinierung möchten Irena Eden & Stijn Lernout für die Unterführung buchstäblich etwas strahlend Neues entstehen lassen und gleichzeitig dem Namen und der historisch-stadtplanerischen Idee verbunden bleiben: Mit dem Entwurf werden drei neue Sterne geboren, die in ihrer Herleitung und Formgebung sowohl auf die Vergangenheit als auch auf die Zukunft Bezug nehmen. Sterne entstehen vereinfacht dargestellt, indem sie sich im Kosmos umliegendes „Material“ aneignen, aufsaugen und verdichten. Dieser Prozess wird auf den Entwurf übertragen. Informationen aus dem Umraum wie städtische Achsen, Koordinaten sowie Standorte der bestehenden und neu gepflanzten Bäume werden zusammengeführt und in Zeichnungen verdichtet. Dabei wird sich eine Zeichnung auf die Achsen und Straßenkoordinaten beziehen, eine andere auf die Standorte der Bäume.

Weitere Wettbewerbsbeiträge:

Nikolaus Gansterer - under__line
Die Unterführung ist eine hochdynamische Übergangszone, ist aber auch Nadelöhr und Brennpunkt. Der Kontrast könnte nicht grösser sein zwischen dem jeweiligen Anfangs- beziehungsweise Endpunkt des Personen- und Fahrradtunnels. Bei dem Bauwerk handelt es sich um kein vertikales Gebäude, sondern eine Transversale durch den Untergrund der Stadttopografie.
Drei Aspekte sind für den Ort konstituierend und Grundlage des Entwurfes under__line, um sowohl auf die ortsspezifische Situation zu reagieren als auch seine Identität neuzugestalten: Der Einschnitt in der Landschaft und ihrer Topographie, die bi-direktionale Durchgangssituation (Transitraum) und die Begegnungs- und Aneignungszone diverser Nutzer*innen. Diese ortsspezifischen Aspekte treten in Resonanz mit der künstlerischen Praxis Gansterers, der sich seit Jahren intensiv mit der Linie, der Zeichnung und auch grundsätzlichen Fragen der Aufzeichenbarkeit und Sichtbarmachung von „fast unsichtbaren oder subtilen“ Vorgängen beschäftigt.
Der zweiphasige Entwurf besteht aus einem öffentlich-partizipativen Workshop, bei dem Linien von Interessierten angebracht werden, sowie aus der künstlerischen Intervention Gansterers, der auf die erste Phase der Linienanbringung vor Ort mit gedanklichen Begriffen, Assoziationen, Bezeichnungen, Interpretationsvorschlägen, aber auch abstrakten oder humorvollen Begriffe reagiert. Auf der Nord- und Südwand sollen jeweils auf der gleichen Höhe ähnliche Motive und Bezeichnungen angebracht werden, um den Aspekt des räumlichen Querschnitts durch den Untergrund zu betonen. Ziel ist es, dadurch ein verstärkt dreidimensionales Raumerlebnis zu erzeugen und nicht auf der flachen Ebene eines Abbildes zu bleiben. Die Beengtheit der Passage wird ins Imaginative erweitert.

Sabine Jelinek - Kaiserºinnenpanorama
Im Prater als Ort der Freizeitbeschäftigung geht es im Großen und Ganzen um das Durcheinanderwirbeln jeglicher Körpersinne und das Vergessen des Alltags. Eine der früheren Attraktionen im Wurstelprater war zum Beispiel auch das „Kaiserpanorama“. Im Kreis sitzende Personen konnten dort stereoskopische Bilderserien durch ein Guckloch betrachten.
Das Rund, das sich auch zahlreich in der Umgebung wiederfindet, ist ein Grundelement des Entwurfs, ein weiteres ist die Arbeit mit fotografischen Bildern sowie der Täuschung oder dem Spiel der Sinne. Der Fotopionier Eadweard Muybridge hielt in der Frühzeit der Fotografie Bewegungsabläufe (Chronofotografie) in einzelnen Segmenten auf einer runden Scheibe fest – dem sogenannten „Sulkyrad“. Lässt man die abgelichteten Einzelbilder hintereinander abspielen ergibt sich wieder die Bewegung.
Im Kaiser°innenpanorama werden zwei solche „chronofotografischen“ Abbildungen dargestellt. Sie sind in Anlehnung an die Kristalle des Filmes der Schwarz-Weiß-Fotografie in grob vergrößerte kristalline Formen abstrahiert. Zwei Bewegungsabläufe sind gegenläufig in farbigen Segmenten dargestellt und auf den beiden langen Wänden in die jeweilig andere Richtung abgewickelt. Ebenfalls in Segmente und mit dem Rund kombiniert ist die Decke und die beiden Wandenden der Tunnel – dies als Referenz zu Kaiserpanorama und Sulkyrad. Die Unterteilung in Segmente soll dem langen Raum eine beruhigende und dem Durchqueren eine bremsende Wirkung verschaffen. Die Farben sind angelehnt an die zuvor dort vorhandenen Graffitis, jedoch in sehr helle Farbtöne umgewandelt, um eine freundlichere Atmosphäre zu erwirken.
Im Vorbeigehen- oder Fahren können die einzelnen Bewegungen der Figuren zusammengesetzt und rekonstruiert werden, ohne dabei unbedingt stehen bleiben zu müssen. Unsere Sinne rezipieren die Bildfolgen und setzen sie dann instinktiv zu einem fließenden Bewegungsablauf wieder zusammen.

Pfelder - DURCHLAUFERHITZER & TEILCHENBESCHLEUNIGER
Bekannte Zeichen und Codes aus unserem Alltag leiten von der funktionalen Verkehrsader zu einer visuellen und inhaltlichen Auseinandersetzung mit diesem „Nicht-Ort“. Fährt oder läuft man in die Unterführung, so ziehen einen von beiden Seiten die roten Warnpfeile förmlich hinein in den abschüssigen Weg. Die Gestaltung ist abgeleitet von dem Verkehrszeichen für "Gefährliche" oder "Scharfe Kurve" und hat neben seiner strengen grafischen Flächengestaltung auch gleich die vertraute Warnung. Die pfeilartigen roten Zacken reichen vom Boden bis zur Oberkante der Wand und werden im Verlauf in die Unterführung hinein immer steiler, was bergab zu einer optischen Beschleunigung führt. Bergauf dagegen läuft oder fährt man gegen die Pfeilrichtung und wird sprichwörtlich wieder verlangsamt.
Gelangt man in den Tunnelbereich, wechselt die Gestaltung der Wand abrupt zu einem überdimensionalen Strichcode auf beiden Wänden. So formt sich in diesem überdachten Bereich ein ganz eigener, sehr spezieller Raum, der durch die Rhythmisierung der verschieden dicken schwarzen Striche geprägt wird. Der Strichcode ist tatsächlich ein funktionaler Strichcode, der auch klein angebracht wird und zu einer Website mit Informationen über den Praterstern verlinkt.
Über den Tunneleingängen befindet sich in Richtung Prater das Wort DURCHLAUFERHITZER, in Richtung Stadt und Bahnhof das Wort TEILCHENBESCHLEUNIGER. Der mit den Strichcodes definierte überdachte Raum bekommt somit je nach Bewegungsrichtung eine Definition, die auf humorvolle Weise diesen Durchgangsort beschreibt und ihn aus der „normalen“ (Nicht)-Wahrnehmung einer banalen Straßenunterführung hervorhebt.

Markus Tripolt & EDUCULT - paintback! praterstern
paintback! praterstern tritt in einen prozesshaften künstlerischen Dialog mit sinn- und arbeitssuchenden Menschen sowie mit anonymen Straßenkünstler*innen, um so Akzeptanz, Nachhaltigkeit und Identifikation des neuen künstlerischen Konzepts zu erreichen.
Die Passage wird beidseitig mit einer freundlichen Cremeweißfarbe ausgemalt. Dabei werden jene Flächen an den Seitenwänden der Unterführung definiert, die mittels Lupen bzw. „Bubbles" von der Bemalung ausgenommen bleiben. Diese geben den Blick frei auf Ausschnitte der bestehenden Graffitis und Bemalungen. Dem Engagement anonymer Straßenkünstler*innen im öffentlichen Raum wird dadurch grundsätzlicher Respekt gegenübergebracht, ihre Arbeiten nicht einfach übermalt und vernichtet, sondern vielmehr neuinterpretiert. Gleichzeitig entsteht aus den erratischen und unzusammenhängenden Tags, Schriften, Bildern und Bemalungen ein überraschendes und einheitliches Gesamtwerk.
Die zehn ehemaligen Plakatfenster in der Unterführung werden zu individuellen Leinwänden für Selbstporträts, die in dreitägigen Workshops mit zehn Klient*innen von Job-TransFair vorbereitet und anschließend vom Künstler auf die Fassade übertragen werden.
Insgesamt wird das Werk zweimal nach der Erstgestaltung erneuert (2024/2026), indem auf den hellen Flächen neu entstandene Graffitis wieder als „Bubbles" in die bestehende Komposition integriert werden. Jeweils werden auch neue Selbstportraits mit weiteren Workshopteilnehmer*innen erstellt und übertragen.

Ort

Personentunnel, Praterstern – Hauptallee, 1020 Wien

Weiterführende Info

ZUM GEWINNERPROJEKT

Einstufiger, geladener künstlerischer Realisierungswettbewerb zur künstlerischen Gestaltung der Unterführung (Bauwerk B0218 Personentunnel) Praterstern-Hauptallee in 1020 Wien

Kooperation MA 29 – Brückenbau und Grundbau und KÖR Kunst im öffentlichen Raum Wien

AUSLOBERINNEN
Kunst im öffentlichen Raum GmbH
MA 29 – Brückenbau und Grundbau

VERFAHRENSORGANISATION
Kunst im öffentlichen Raum GmbH

VORPRÜFUNG
Werkraum Ingenieure ZT-GmbH, Monika Trimmel

WETTBEWERBSJURY (ohne Titel)
Alexander Nikolai, BV 2. Wiener Gemeindebezirk
Juliana Reimoser, MA 29 Brückenbau und Grundbau
Lisa Magdalena Schlager, MA 19 Architektur und Stadtgestaltung
Kim Tien, Architektin
Clemens Wolf, Künstler
Georg Zey, KÖR Jury

SACHBEIRAT (ohne Titel)
Gerhard Dully, MA 33 Wien leuchtet
Andreas Gottlieb, MA 28 Straßenbau und Straßenverwaltung
Josef Gottschall, MA 30 Wiener Kanalisation
Thomas Indra, MA 29 Brückenbau und Grundbau
Paul Oblak, Koordinator Praterstern
Franz Roth, MA 46 Verkehrssicherheit
Martina Taig, KÖR GmbH, Geschäftsführerin
Monika Trimmel, Werkraum Ingenieure ZT GmbH, Vorprüferin
Eric-Emmanuel Tschaikner, Architekt
Valeska Wichert, MA 19 Architektur und Stadtgestaltung

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Künstlerische Gestaltung der Unterführung Praterstern-Hauptallee in 1020 WienWettbewerbssieger: Irena Eden & Stijn Lernout

Zeitraum

Umsetzung: Frühjahr/Sommer 2022

U1, U2, Praterstern

Vermittlung - Veranstaltungen

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