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Wettbewerb

Künstlerische Gestaltung des Passagengangs im Bahnhof MeidlingWettbewerbssieger: Christian Kosmas Mayer

Künstlerische Gestaltung des Passagengangs im Bahnhof Meidling

Gemeinsam mit der ÖBB wurde vereinbart, eine permanente künstlerische Gestaltung des Passagengangs Bahnhof Wien Meidling zu realisieren.

Ziel ist, das Erscheinungsbild des Passagengangs mitsamt den dazugehörigen Bahnsteigaufgängen mit zeitgenössischer Kunst ästhetisch aufzuwerten. Er soll einen unverwechselbaren Charakter bekommen, um den Erkennungswert des Bahnhofs zu erhöhen und ihn von der daneben liegenden U-Bahn optisch abzugrenzen. Durch die Neugestaltung der Portale und Zugänge soll der Passagengang für die Benutzer*innen dauerhaft an Attraktivität gewinnen. Mithilfe einer neuen, energieeffizienten Beleuchtung, dem Einbau von Lichtdecken sowie der künstlerischen Gestaltung soll ein Bewusstsein hergestellt werden, dass die Passage zu einem größeren System gehört.

Die fünfköpfige Jury hat sich am 1. Februar 2023 für den Entwurf von Christian Kosmas Mayer entschieden.

Siegerentwurf: Christian Kosmas Mayer – „Der verlorene Garten“

Christian Kosmas Mayer bringt mit „Der verlorene Garten“ etwas zurück, was schon längere Zeit aus der Erinnerung verschwunden ist: Den Prónaygarten, einen prachtvollen Biedermeiergarten, der dem Bau der Südbahn, in dessen Folge auch der Bahnhof Meidling errichtet wurde, weichen musste. Der Prónaygarten war zu seiner Zeit, insbesondere wegen der hier gezüchteten Pelargonien, über die Grenzen Wiens bekannt. Vom Garten selbst gibt es keine Abbildungen mehr. Diesen Umstand macht sich der Künstler zu Nutze, indem er KI Bildgeneratoren zur Gewinnung von Bildern der vergangenen Gartenanlage einsetzt. Die bildhaften Verschränkungen von Technik, Umwelt und Natur mittels künstlicher Intelligenz erzeugen ein surreales Spannungsverhältnis. Betrachter*innen sehen sich auf den ersten Blick mit vermeintlich historischen Stichen oder Abbildungen konfrontiert, die jedoch künstlich erzeugt, immer wieder gebrochen und seltsam collagiert scheinen.
Der Entwurf überzeugt auch durch die kluge räumliche Verortung in der Westpassage des Bahnhofs Meidling, der Passagengang wird zu einem unverwechselbaren, neuen Ort, an dem Fragen gleichermaßen an die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft gestellt werden können.

--- Statement der Jury

Die Wandgestaltung für den Passagengang des Bahnhof Meidling erinnert an einen einzigartigen Biedermeiergarten, der für den Bau der Südbahn im 19. Jahrhundert weichen musste.
Mit jeder neuen Technologie, die unsere Welt grundlegend verändert, geht ein Stück der alten Welt verloren. Die beschleunigte Art des Reisens durch die Eisenbahn veränderte den Blick auf die Welt, sie wurde dadurch scheinbar kleiner. Exotische Gärten stellten bis dahin für viele Menschen in Europa die einzige Möglichkeit dar, ferne Orte imaginär zu bereisen, indem sie Pflanzen aus verschiedensten Weltteilen in ästhetischen Inszenierungen zugänglich machten. Mit dem Siegeszug der Eisenbahn verlor diese Art des „unbewegten Reisens“ an Bedeutung.
Der Entwurf „Der verlorene Garten“ nimmt Bezug auf diese historischen Veränderungen, indem er eine Geschichte in den Fokus, die diese Transformation konkret nachvollziehbar macht und mit der Geschichte des Bahnhofs verknüpft. Er macht diese Leerstelle sichtbar. Gleichzeitig wird durch die Arbeit aber auch eine ganz neue Technologie spürbar, die schon bald unsere Sichtweise auf die Welt grundsätzlich verändern wird.
Die auf Basis von Beschreibungen entstehenden Bilder, die mithilfe einer künstlichen Intelligenz entstehen und die im Grunde synthetische Traumwelten repräsentieren, eignen sich auf besondere Weise für diese spekulative Rekonstruktion. Die Arbeit soll die Frage stellen, wie wir unsere gesellschaftliche Identität durch Erinnerungen konstruieren und wie Gedächtnis und Geschichte in der Gegenwart entstehen. „Das Vergangene kann nur durch die Augen der Gegenwart und die zur Verfügung stehenden Technologien betrachtet werden. Auf der einen Seite ist das Vergangene eine fremde Welt, das ultimative Unbekannte. Das bedeutet aber nicht, dass keine Wahrheit in den Erinnerungen liege oder dass die Vergangenheit pure Fiktion sei. Eine falsche Erinnerung von etwas, das in Wirklichkeit nicht passiert ist, hat reale psychische Auswirkungen auf das Leben der sich erinnernden Person.“ (Christian Kosmas Mayer)

Weitere Wettbewerbsbeiträge

Adib Fricke – „Unmittelbarkeiten“

Der künstlerische Vorschlag "Unmittelbarkeiten" greift die Grundsituation des Ortes auf – es ist kein Ort des Verweilens, sondern ein Nicht-Ort im Sinne des frz. Anthropologen Marc Augé – auf und kontrastiert sie. „Vier Wörter stehen großflächig an ausgewählten Positionen, alle auf der gleichen Zwischengeschoss-Ebene. Zwei davon sind direkt im Passagengang, JETZT und HIER. Eins ist im Durchgang „Pottendorfer Linie“", SOGLEICH, und das andere am Übergang zur benachbarten Halle, EVENTUELL. Es sind Adverben – Wörter, die andere Wörter abwandeln, um Handeln und Erleben zu spezifizieren. Künstlerisch im Bahnhof Wien Meidling eingesetzt, verändern diese die subjektive Raumwahrnehmung, sowohl visuell in ihrer farbig-kraftvollen Wirkungsweise als auch als gedankliche Anregung. Zugleich verbindet die künstlerische Arbeit die Raumstruktur zu einer Einheit. Das textbasierte Werk lädt ein zu verweilen, physisch wie mental.
Die Wörter können zusammen oder alleine gelesen werden. Ihre Abfolge kann in der Vorstellung vertauscht werden. In der Gedankenwelt der Passant*innen entstehen vielfältige Kombinationen mit anderen Spracheinheiten. Assoziativ und spielerisch werden die Begriffe für Pendelnde zu täglichen Begleitern, für gelegentlich Reisende sind sie Anregung für Abfahrt oder Ankunft, sie reflektieren Zustände des Unterwegs-Seins. So schaffen sie eine dialogische Situation zwischen Raum und Individuum, sind in offener Form ortsstiftend und können selbst zu Treffpunkten werden: Wir treffen uns beim HIER.“ (Adib Fricke)

Jana Gunstheimer – „Wiener Geflecht“

„Ein Klassiker der Möbelbespannung ist das Wiener Geflecht. Sechs Stränge, von verschiedenen Seiten kommend, treffen aufeinander, bilden einen Knotenpunkt, laufen auseinander und vereinen sich mit anderen Strängen zu weiteren Knoten. Ein Netzwerk entsteht. In Wien entwickelt, erlebte es seine Blütezeit um 1900 und führte durch seine klare Ästhetik zu einer Revolution der Inneneinrichtung.
Der Bahnhof Wien Meidling ist einer der Verkehrsknotenpunkte, an dem sich Linien des Fernverkehrs mit denen des Regionalverkehrs kreuzen. In Analogie zum ornamentalen Gewebe treffen Linien aufeinander, laufen einige Zeit parallel, kreuzen sich und driften in verschiedene Richtungen auseinander. Der Entwurf für die Fassadengestaltung des Passagengangs Wien Meidling nimmt diese Parallele auf und entwickelt sie zu einem ornamentalen Gesamtgefüge. Ausgehend vom Zentrum Wien, das durch eben jenes Geflecht repräsentiert wird, ziehen sich (Bahn-)Linien in alle Himmelsrichtungen, fahren Ziele in Europa und darüber hinaus an. Neue Einflüsse kommen hinzu und verflechten sich mit dem Wienerischen, bilden Mischformen und fügen sich zu neuen Ornamenten zusammen.
Diese anderen ornamentalen Geflechte sind den Kulturen entlehnt, zu denen die Bahnlinien führen. Ornamente aus dem Balkan, dem Nahen Osten, Israel, und im weiteren Sinne aus Asien, Afrika, Lateinamerika mischen sich unter das Wiener Geflecht.“ (Jana Gunstheimer) Die Künstlerin fragmentiert und setzt die Fragmente neu (in einem Digitaldruckverfahren auf Glas) zusammen, spiegelt und dreht sie – oft sind sie in ihrem Ursprung nur noch zu erahnen. Das Wiener Geflecht verweist auf die Geschichte Wiens mit seinen reichhaltigen kulturellen Einflüssen, die seit fast 200 Jahren auch durch Reisen mit der Bahn maßgeblich beeinflusst wurde. Die Arbeit kann als Sinnbild kultureller Verflechtungen gelesen werden.

Monika Michalko – o.T.

Die Bahnhofspassage Meidling, ein unterirdischer Ort des Transits, wird in dem Entwurf zu einer Welt der unendlichen Imagination. Auf Glaspaneele übertragene surreale Malereien – Landschaften, Bäume, Urbanes und Dörfliches, abstrakte Fragmente aus Industrie und Geometrie, aber auch Korallen und Wolken – scheinen beim Durchschreiten der Passage an den Passant*innen vorbei zu ziehen. Sie laden zum Verweilen ein und erinnern an die menschliche Verarbeitung von Gedanken und Gesehenem.
Die Künstlerin begreift den Bahnhof als Begegnungsstätte und Ort der Verknüpfungen. Gleichzeitig ist auch er ein fragiles Geflecht. Die imaginären Welten des Entwurfs sollen eine harmonische Atmosphäre verbreiten und dazu einladen, sich auf intensive Farbräume einzulassen, die emotionale Wärme ausstrahlen.
Die Reisenden sollen auf ihre Sinne angesprochen und künstlerisch „abgeholt werden“ – mit Landschaftsbildern aus dem kollektiven Unterbewusstsein, die in den Glaspaneelen manifest werden.

Claudia Wieser – „Farben, Formen – Leiten und Orientieren“

Claudia Wieser greift in ihrem Entwurf wesentliche Elemente eines Wegeleitsystems auf. Vollflächige – in Form und Farbgebung unterschiedliche – geometrische Fliesenbilder kennzeichnen die verschiedenen Bereiche der Gleiszugänge. Dabei wird das Fahrgast- und Wegeleitsystems der Wiener Linien in die künstlerische Arbeit integriert. Es entsteht ein künstlerisches System, das den Besucher*innen hilft, den Raum zu lesen und sich in ihm zu orientieren.

„Ein Wegeleitsystem dient der Aufgabe, Menschen über die Umgebung in der (ihnen unbekannten) baulichen Umgebung zu informieren. Es ist wichtig, Informationen an strategischen Punkten anzuzeigen, um in die richtige Richtung zu führen. Komplexe Strukturen in der baulichen Umgebung werden interpretiert und gespeichert. Entfernungen, Orte und Zeiten können somit anders in Erinnerung bleiben, als sie in der Realität erscheinen – und wesentlich einfacher bei Bedarf abgerufen werden. Die eigene Verortung in der gebauten Umgebung ist dabei unerlässlich für die weitere Orientierung. Erst das Sich-orientieren-können im Raum ermöglicht es intuitiv den eigenen Weg zu finden und entlang der Orientierungspunkte das Ziel zu erreichen.“ (Claudia Wieser)
Die Suche eines Wegs von Ort zu Ort ist fester Bestandteil des täglichen Lebens. Wenn man mitten in der Stadt einen (unterirdischen) Bahnhof betritt, ist man kurzzeitig desorientiert: Man scannt den Raum, um herauszufinden, wo man sich befindet. Man sucht nach Hinweisen, die einen zum Ziel führen. Die menschliche Wahrnehmung der baulichen Umgebung und der Informationen im Raum hängt von Ausgewogenheit und Konzentration ab. Was sehen wir? Warum haben wir es gesehen? Was können wir aus den gegebenen Informationen ziehen?

Ort

Bahnhof Meidling, 1120 Wien

Weiterführende Info

Einstufiges, geladenes diskursives Verfahren zur künstlerischen Gestaltung des Passagengangs Bahnhof Wien Meidling, 1120 Wien

Kooperation ÖBB und KÖR Kunst im öffentlichen Raum Wien

AUSLOBERINNEN

KÖR Kunst im öffentlichen Raum Wien

ÖBB

VERFAHRENSORGANISATION

KÖR Kunst im öffentlichen Raum Wien

VORPRÜFUNG

Werkraum Ingenieure ZT-GmbH, Monika Trimmel

WETTBEWERBSJURY

Georg Zey, KÖR-Jury und Künstler

Erich Pirkl, ÖBB-Immobilienmanagement GmbH, Geschäftsführer

Barbara Marx, Stv. Bezirksvorsteherin Meidling

Jeanette Pacher, Kuratorin

Inge Manka, TU Wien

SACHBEIRAT

Gerhard Dully, MA 33 – Wien leuchtet

Sascha Meis, Architekt

Bernhard Nowak, Hollinsky & Partner Ziviltechnikergesellschaft m.b.H.

Cornelia Offergeld, KÖR GmbH, Kuratorische Leitung

Michael Prinz, ÖBB

Johannes Schachinger, ÖBB

Monika Trimmel, Werkraum Ingenieure ZT-GmbH

Martina Taig, KÖR GmbH, Geschäftsführerin

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Künstlerische Gestaltung des Passagengangs im Bahnhof MeidlingWettbewerbssieger: Christian Kosmas Mayer

Zeitraum

Umsetzung geplant: 2024

S1, S2, S3 und U6, Bahnhof Meidling

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